Industriegesellschaft

Industriegesellschaft
In|dus|trie|ge|sell|schaft 〈f. 20; Soziol.〉 Gesellschaft, die von den sozialen Folgen der Industrialisierung geprägt ist
Die Buchstabenfolge in|dus|tr... kann in Fremdwörtern auch in|dust|r... getrennt werden.

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In|dus|t|rie|ge|sell|schaft, die (Soziol.):
Gesellschaft, die durch die Industriewirtschaft geprägt ist:
die moderne I.;
in einer I. leben.

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Industriegesellschaft,
 
industriẹlle Gesellschaft, eine technisch-wirtschaftlich hoch entwickelte Gesellschaft, die in ihrer Struktur und Dynamik weitgehend durch die Industrialisierung geprägt ist. Im Mittelpunkt der Industriegesellschaft steht die mit dem Fabriksystem verbundene betrieblich-industrielle Produktionsweise, die die Herstellung wachsender Gütermengen ermöglicht (Massenproduktion) und damit zugleich in starkem Maße das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen bestimmt.
 
Die Industriegesellschaft hat die relativ statische, traditionsgeleitete und überwiegend agrarisch-handwerklich ausgerichtete vorindustrielle Gesellschaft abgelöst. Kennzeichnend sind die Entfaltung technisch-wirtschaftlich verwertbarer Erfahrungswissenschaften und die Ausbreitung eines säkularen Wertsystems, das Fortschritt und Innovation hoch bewertet. Technischer Fortschritt, Leistungs- und Erfolgsstreben, Steigerung der Produktivität (v. a. durch weitgehende Arbeitsteilung und Rationalisierung) und Wirtschaftswachstum bilden entscheidende Voraussetzungen für die Steigerung des Lebensstandards, für Massenwohlstand und Konsumdynamik (Leistungs- und Konsumgesellschaft). Charakteristisch sind ferner ein beschleunigter sozialer Wandel, Ausdifferenzierung funktionsspezifischer gesellschaftlicher Subsysteme oder Teilbereiche (Wirtschaft, Politik, Bildung, Gesundheitswesen u. a.), weitgehende räumliche Trennung von Familie und Wohnung einerseits sowie Erwerbsarbeit und betriebliche Arbeitsstätten andererseits, Funktionsverluste der Familie und Verwandtschaft, Herausbildung neuer Berufe und steigende Leistungsanforderungen, erhöhte Mobilität, Entstehung großstädtischer Ballungsgebiete, stürmische Entwicklung von Verkehr und Kommunikationswesen sowie der Ausbau der sozialstaatlichen (wohlfahrtsstaatlichen) Sicherung.
 
Ausprägung und Dynamik einer Industriegesellschaft hängen entscheidend davon ab, ob diese nach marktwirtschaftlichen oder planwirtschaftlichen Kriterien organisiert wird. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat sich gezeigt, dass in den staatssozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften lediglich der militärisch-industrielle Komplex einen Entwicklungsstand erreicht hatte, der aus Weltmarktsicht als wettbewerbsfähig einzustufen war. In fast allen anderen Bereichen blieben technischer Fortschritt und Produktivitätszuwachs im Vergleich zu den entsprechenden Industrien der marktwirtschaftlich organisierten Industriegesellschaft zurück. Aber auch in den westlichen Industriestaaten ist die auf Mengenwachstum, Naturbeherrschung und -ausbeutung angelegte Industriegesellschaft durch die wirtschaftlich bedingten Umweltbelastungen in eine Krise geraten (Risikogesellschaft). Die Krise wird durch das langfristige Abflachen des Produktivitätswachstums, die dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit sowie zunehmende Disparität von Einkommens- und Vermögensverteilung verschärft. Der Beschäftigungsrückgang in Landwirtschaft und Industrie (primärer und sekundärer Sektor), die Dynamik der Informations- und Kommunikationstechniken, die Ausweitung des Dienstleistungsbereichs (tertiärer Sektor), zunehmende Freizeitorientierung und die Pluralisierung der Lebensstile verstärken Tendenzen zur postindustriellen Gesellschaft.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Dienstleistungsgesellschaft · Freizeit · Gesellschaft · Informationsgesellschaft · Leistungsgesellschaft · Mobilität · sozialer Wandel · Urbanisierung · Verstädterung
 
 
R. Aron: Die industrielle Gesellschaft (a. d. Frz., 1964);
 N. Birnbaum: Die Krise der I. (a. d. Engl., 1972);
 J. K. Galbraith: Die moderne I. (a. d. Amerikan., 55.-59. Tsd. 1974);
 B. Lutz: Der kurze Traum immerwährender Prosperität (1984);
 U. Beck: Risikogesellschaft (1986);
 A. Albach: Dienstleistungen in der modernen I. (1989);
 
Moderne I., hg. v. M. von Hauff (1991);
 U. Heyder: Reformperspektiven für die I. (Chur 1994).

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In|dus|trie|ge|sell|schaft, die (Soziol.): Gesellschaft, die durch die Industriewirtschaft geprägt ist: die moderne I.; in einer I. leben.

Universal-Lexikon. 2012.

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